AmazonenhÄhne in der Balzzeit
Wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde!
Kann man sich ihnen wirklich nur mit Schutzkleidung nähern?
Von Brigitte Block
Zur Balzzeit hört man ja überall in der Forenwelt, dass gerade Amazonenhähne immer wieder ihre Halter angreifen.
Das liest sich dann oftmals so:
- Neuerdings dreht meine Blaustirnamazone durch,
beißt und greift mich an.
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Unser BS-Hahn wird immer aggressiver und beißt mich.
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Blaustirnamazone dreht durch.
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Heute morgen hat mich meine Amazone angegriffen und gebissen.
Und leider gibt es darauf immer wieder solche Antworten:
- Also ich bin dann immer angezogen wie im Winter, Rollkragenpulli und Handtuch umgehängt.
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Man nimmt einen Besen, Staubwedel oder ähnliches und lässt den Vogel ein paar Runden durch den Raum fliegen.
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Bei Angriffen beim Freiflug den Vogel, z. B. mit einem Besen, durch das Zimmer jagen.
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Ziehe einen Hut und eine dicke Jacke an.
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Nimm notfalls einen Handfeger zur Hand und drohe ihm.
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Habe gehört, dass jemand nur noch mit Sturzhelm in die Voliere gegangen ist.
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Betritt die Voliere nur noch mit Schutzkleidung.
Und so weiter und so fort.
Nun muss ich gestehen, dass ich mich vor vier Jahren in eben so einer Situation befand. Ich wurde von meinem Blaustirnhahn regelrecht attackiert und dabei kam es zu richtig tiefen, stark blutenden Verletzungen an den Armen und am Rücken. Ich weiß also, wovon ich rede. Ergänzend dazu muss ich wohl sagen, dass ich mit meinen Amazonen in einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus lebe. Sie haben kein eigenes Zimmer, sondern leben in einem Käfig im Wohnzimmer.
Doch wie fing eigentlich alles an?
Bei einem Tierarztbesuch kam nach einer gründlichen Unter-suchung heraus, dass die Henne, die vor kurzem bei uns eingezogen war, schwer krank war. Damit begann meiner Meinung nach das Desaster. Täglich musste ich der kleinen Maus nun über mehr als drei Monate diverse Medikamente in den Schnabel eingeben. Da gerade Balzzeit war, und mein Hahn seine Henne verteidigte, indem er sie nach hinten schob und sich drohend vor mir aufbaute, ist das Ganze dann nach und nach eskaliert. Mir war klar, so, wie ich vorging, war das nicht gut. Nur was sollte ich machen? Die Kleine brauchte Medikamente und ich musste zur Arbeit. Also den Hahn beiseite „gedrängt“, die Kleine „gepackt“, ab in die Küche, Medikamente rein, die Kleine wieder zurück gebracht, und fertig.
In der ersten Zeit hatte das für mich auch noch keine wirklichen Konsequenzen. Beim Freiflug drohte mir zwar mein Hahn, wenn ich seiner Henne zu nahe kam, und er stellte sich zwischen uns. Dies war mir damals jedoch gar nicht so bewusst. Dann aber kam der erste Angriff, für mich damals eben aus heiterem Himmel. Heute weiß ich es besser, und damals ahnte ich es wohl auch irgendwie, nur wusste ich mir nicht zu helfen, um etwas zu ändern. Ich schildere euch mal so einen für mich typischen Fall aus der Anfangszeit, an dem ich hätte verzweifeln können:
Es war Sonntagvormittag und Badetag für die Vögel. Beide stiegen auf die Hand und ließen sich in die Dusche bringen, wo ich sie mit einer großen (5L) Blumenspritze abduschte. Danach brachte ich beide zurück ins Wohnzimmer, wo sie in aller Ruhe trocknen konnten. Da ich noch einiges zu tun hatte, verließ und betrat ich das Zimmer mehrfach in sehr unregelmäßigen Abständen. Die beiden wechselten in dieser Zeit ebenfalls mehrfach ihren Standort, mal waren sie auf dem Käfig, mal auf dem Schrank, auf der Tür, usw. Tja, und dann passierte es: Als ich das Zimmer betrat, wurde ich von meinem Hahn angeflogen und er hackte/biss sofort zu. Er erwischte mich voll am Arm.
Solche Attacken wiederholten sich von nun an häufig. Es gab tiefe, stark blutende und schmerzhafte Wunden, die Narben hinterließen. Was für mich aber viel schlimmer war, ich konnte nie abschätzen, wann so ein Angriff erfolgen würde. Für mich kamen diese Angriffe immer völlig überraschend und ohne Vorwarnung. Auch konnte ich nicht verstehen, warum 10 Minuten später wieder alles in Ordnung war und weitere 10 Minuten später wieder ein Angriff erfolgte, oder eben nicht. Halt Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Manchmal reichte es völlig aus, dass ich mich leicht bewegte, während ich in einem Buch lesend auf der Couch saß, um einen, für mich unverständlichen, Angriff auszulösen.
Auch wurde es mit dem Beißen immer schlimmer, denn nun stieg mein Hahn auch nicht mehr auf die Hand auf, sondern biss einfach zu. Aber am schlimmsten war, dass ich immer mehr das Vertrauen in meine Vögel verlor und sogar regelrecht Angst vor meinem Amazonenhahn bekam. Die Angriffe und das Beißen hörten auch nicht mehr auf, als die Balzzeit zu Ende war. Sie wurden zu ständigen Begleitern des Freiflugs, welcher für mich dadurch zu einer regelrechten Angstpartie wurde.