Training mit kleinen Sittichen
Wellensittiche und Nymphensittiche bereiten ihren Halterinnen und Haltern natürlich keine Probleme wie Dauergeschrei, Beißen oder Menschen angreifen, weil sie so klein sind. Dafür haben die Kleinen umso häufiger Probleme mit den Menschen: ANGST. Wer des Öfteren Abgabevögel aufnimmt, hat es sicherlich schon erlebt, dass der Wellensittich erstarrt, sobald er einen Menschen sieht und, falls dieser näher kommt, voller Panik wild im Käfig herumflattert. Dass der Kleine sehr unter diesem Stress leidet, dürfte klar sein. Mit "ich setze mich vor den Käfig und rede sanft mit ihm" und "er wird sich schon eingewöhnen" ist es in der Regel nicht getan, weil seine schlechten Erfahrungen und seine Angst zu tief sitzen.
Die gute Nachricht ist, dass man mit den Kleinen ebenso wie mit den großen Papageien trainieren und systematisch am Vertrauensaufbau arbeiten kann, damit er entspannt bleibt, wenn man in seine Nähe kommt. Von so einem Fall handelt der erste Artikel. Im zweiten Artikel geht es darum, wie eine veränderte Ausgangssituation das Verhalten beeinflussen kann.
Beide Autorinnen haben übringens meinen Kurs "Warum tut der Papagei das" absolviert und, wie man sieht, haben sie davon profitiert.
Wellensittich Flora
Ein Bericht von Jacqueline Oberjat
Heute möchte ich euch meine Flora vorstellen. Flora hat eine bemerkenswerte Leidens- und Erfolgsgeschichte hinter und (hoffentlich) eine lange und glückliche Zukunft vor sich und ich möchte ihre Geschichte mit euch teilen.
Im Oktober 2019 konnte ich mein Glück kaum fassen, als im Internet 3 Wellensittiche mit Käfig und Zubehör kostenfrei zur Abgabe angeboten wurden und ich sie holen konnte. Die Vorbesitzer waren herzensgute Menschen, die in den vergangenen Jahren immer wieder Tiere aus schlechten Verhältnissen retteten, jetzt aber keine wirkliche Zeit mehr für die Tiere hatten. Ich übernahm also 3 kleine Federbälle mit Vorgeschichte. Mit dabei: Flora, Albino-Weibchen mit starkem Übergewicht und noch stärkerer Angststörung. Sie war damals 6 Jahre alt.
Als sie bei mir ankam konnte Flora kaum fliegen. Wenn sie es überhaupt noch versuchte - ausschließlich in Angst und Panik - ähnelte sie einem kleinen ungelenken Hubschrauber. Ihr Flug war extrem laut. Aufgrund ihres Gewichts sank sie trotz größter Kraftanstrengung ab. Sie konnte nicht richtig steuern und flog mehrfach gegen die Wand, weil sie eine Kurve nicht gekriegt hat. Ihre Psyche schrie genauso um Hilfe wie ihr kleiner Körper. Aufgrund des Gewichtes konnte sie am Schwarmleben nicht mehr teilnehmen. Selbst als ich Citro dazu holte, saß Flora während der gesamten Vergesellschaftungsphase auf der Stange und bewegte sich keinen Meter. Sie wirkte depressiv, spielte nicht und reagierte mit Aggressionen auf die anderen Vögel.
Dazu kam eine schwere Angststörung. Sie reagierte als Einzige auf ihren Namen - indem sie sich panisch umsah und in die hinterste Ecke flüchtete. Bei Panik klammerte sich häufig an das Käfiggitter und schloss die Augen, fast so als wollte sie den bevorstehenden Weltuntergang abwarten. Panik hatte sie eigentlich immer: Wenn ich den Raum betrat, das Futter wechselte, den Käfig sauber machen musste.
Ich machte mich also an die Arbeit. Das "Diätfutter", das die Vorbesitzer ihretwegen dauerhaft gaben, streckte ich noch einmal mit Grassamen. Da Flora nicht auf die Hand kam, konnte ich den anderen unbehelligt Kolbenhirse zustecken. Um Flora sowas wie Schwarmleben zu ermöglichen steckte ich ihr dabei immer auch ein Stückchen zu - von außen durch das Gitter und noch ein bisschen tiefer in den Käfig hinein geschnickt. Kontaktlose Übergabe also. Es wurde dankend angenommen, auch weil sie auf ihre eigene Art quasi um Beteiligung "bettelte" (Sie saß fast reglos da und schielte ohne den Kopf zu bewegen auf die Hirse).
Als sie wieder freiwillig zu fliegen begann, stellte ich ein Teil des Futters außerhalb des Käfigs auf, damit sie sich bewegen musste und die Flugmuskulatur stärken konnte. Ich begann auch, daran zu arbeiten, eine Bindung zu ihr aufzubauen, aber sie blieb lange Zeit panisch und eigentlich wollte ich sie schon aufgeben, weil es nicht so richtig werden wollte.
Es war also Flora, für die ich mich bei Dagmars Kurs anmeldete. Ich muss sagen, es hat sich gelohnt. Stück für Stück erarbeiten wir uns gemeinsam das Vertrauen. Heute kann ich das Zimmer betreten, das Futter wechseln und den Käfig sauber machen - Flora bleibt entspannt. Ihre Angstreaktionen haben abgenommen. Sie treten seltener auf und dauern nicht einmal mehr halb so lange an. Es ist auch keine Todesangst mehr dabei. Ich erkenne es daran, dass sie gezielt ausweicht und bewusster Orte aufsucht, an denen sie sich sicher fühlt. Früher ist sie einfach nur aus dem Käfig gestürmt.
Flora nimmt am Schwarmleben teil und fasst langsam wieder Vertrauen zum Menschen. Sie setzt zuverlässig einen Fuß auf den Finger. Sie ist auch schon vollständig aufgestiegen, aber das klappt noch nicht zuverlässig und wir arbeiten daran.
Falls ihr euch alle fragt, wie Flora überhaupt in diese Lage gekommen ist, wenn die Vorbesitzer so herzensgute Leute waren: Die haben sie aus prekärer Haltung abgeholt. Flora war ursprünglich in einem zu kleinen Käfig mit einer anderen Henne eingesperrt. Der Besitzer damals hatte keine Zeit und war nur am Wochenende in der Wohnung. Das heißt, Futter und Wasser wurden auch nur einmal pro Woche gewechselt. Der Mensch trat eher als Störfaktor auf. Jede Form der Anregung fehlte.
Als die Vorbesitzer sie da raus holten, war ihre Angststörung schon da. Die Vorbesitzer haben das aber nie in den Griff bekommen und außerdem hatten sie Angst, dass sie wegen der Panikattacken an einem Herzinfarkt stirbt. Sie haben sie daher in Ruhe gelassen, nach dem Motto: Sie muss ja nicht, wenn sie nicht will.
Die Vorbesitzer hatten zwischenzeitlich bis zu 7 Wellis daheim. Irgendwann gab es wohl mal eine Zeit, in der zwei Hähne Flora zugefüttert haben. Ich gehe davon aus, dass sie sich nie angemessen bewegt hat, weil sie sich vor Angst kaum aus dem Käfig raus getraut hat. Mit der Zufütterung war dann irgendwann so viel Gewicht auf Floras Knochen, dass sie sich nicht mehr bewegen konnte.
Flora hat übrigens immer noch Übergewicht. Auch da arbeiten wir dran. Bei ihr war es aber immer schon ein Abwägen zwischen körperlichen und seelischen Bedürfnissen. Das muss bei ihr beides gleichzeitig angegangen werden.
Anbei noch ein Video von meiner Erfolgs-Henne.
Wellensittich Bubi steigt auf den Arm
Ein Bericht von Diana Klopfer
Bubi habe ich im Oktober 2019 zusammen mit seinen besten Kumpel Sigi aus dem Tierheim in Darmstadt geholt. Die Vorgeschichte und das genaue Alter der Beiden ist nicht bekannt, aber ich schätze mal, dass Bubi jetzt (2021) ca. 4 Jahre alt ist. Bubi war anfangs sehr scheu und ist sofort weggeflogen, wenn sich ein Zweibeiner näherte. Er war aber auch sehr neugierig und hat sich bald von den Alteingesessenen abgeschaut, Futter aus der Hand zu nehmen. Nach der Eingewöhnungszeit von ca. 2 Monaten habe ich dann mit dem Training behutsam angefangen und er hat begeistert mitgemacht. Seitdem mache ich Training mit ihm und es hat Bubi sehr viel Selbstsicherheit und Selbstvertrauen gegenüber seinen Schwarmmitgliedern und uns Menschen eingebracht. Ein halbes Jahr später ist Maya bei uns eingezogen. Für Bubi war es die Liebe auf den ersten Blick und seitdem turteln sie herum was das Zeug hält.
Bubi hatte richtig Lust zum Training, deshalb ist das Video etwas länger geworden. Bubi hat kürzlich gelernt, dass es ein Leckerli einbringt, wenn er den Finger berührt. Auf diese Weise hat er auch gelernt, auf den Arm zu gehen, wobei ich beim Training immer denselben Pullover trug. Dieses Mal hatte ich einen anderen Pullover an. Anderer Pullover = gruseliges Ding, das erstmal inspiziert werden muss! Unsere Geierchen, was geht nur in ihren Köpfen vor...
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