Mit Papageien leben

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Nach 20 Jahren Papageienerfahrung

Wie wir endlich zu mehr Freude, Gesundheit und weniger Stress gefunden haben

von Petra Föh

Wenn Papageienhalter untereinander auf Training zu sprechen kommen, reagieren viele erst einmal sehr ablehnend. Ich konnte das selbst oft schon erleben. Aber ich gestehe, auch ich gehörte früher zu diesen Menschen, dachte damals, die Vögel würden mit Futterentzug gefügig gemacht. Bei manchen Trainern mag das auch so sein. Inzwischen weiß ich aber, dass es auch anders geht und dass die Motivation von Trainern ebenso variiert, wie die Methode. Oft ist es Unwissenheit oder einfach falsche Information, die zunächst für Ablehnung des Trainings sorgt. Ich kann nur aus meiner heutigen Erfahrung sagen, man sollte sich erst einmal mit dieser Thematik auseinandersetzen, verschiedene Methoden und Trainer kennenlernen und nicht gleich verurteilen. Das Wort „Training“ hat für viele Halter den Beigeschmack von Zwang, was aber keineswegs der Fall sein sollte.

Trainingsspielzeug
Spielzeug fürs Training

Graupapagei mit Trainingsspielzeug
Ob da wohl was drin ist?

Inzwischen trainiere ich selbst mit meinen Grauen. Ich habe einen Weg gefunden, der meiner Einstellung den Vögeln gegenüber entspricht und auf jeglichen Zwang verzichtet. Futterentzug gehört ebenfalls nicht zur Methode. Lediglich das, was sie wirklich am liebsten fressen, wird nicht mehr als frei verfügbares Futter angeboten,sondern von mir als sogenannter Verstärker genutzt. Es muss auch nicht immer ein primärer Verstärker (Gabe von Futter) sein, es reicht auch mal ein Lob oder streicheln. Inzwischen habe ich gelernt, dass es im Auge des Betrachters liegt, was für ihn verstärkend ist. Meine Vögel entscheiden, ob die ihnen als Verstärker zugedachte Gabe für sie wirklich verstärkend ist, sodass sie ihr Verhalten gerne wiederholen, um mehr davon zu erhalten.

Meine Graupapageien, sehr sensible Vögel, kommen freiwillig und gerne, sobald sie unser Trainingsspielzeug oder meine Vorbereitungen sehen. Sie verbinden diese Art von Beschäftigung mittlerweile mit etwas Gutem, bedeutet es doch Abwechslung, meine Aufmerksamkeit, leckere Futterstückchen. Gleichzeitig dient es der besseren Sozialisierung der vier Grauen, da ich sehr oft eine Holzkiste mit Spielzeug auf den Boden stelle und alle vier ihr Spielzeug selbst heraussuchen, um sich damit zu beschäftigen.

Als ich mich 2011 im Tierverhalten- und Trainingsforum registrierte, kannte ich Papageientraining nur aus dem Loro-Parque auf Teneriffa. Wie alle Zuschauer war ich begeistert von der Intelligenz der Vögel. Mittlerweile war ich schon dreimal dort und bin immer wieder aufs Neue fasziniert, wie intelligent Papageien sind! Dazu möchte ich anmerken, dass gerade diese Shows leider auch dazu beitragen, dass so viele Vorurteile über Training bestehen. Der Laie wird sich schwer tun, den Unterschied der Trainingsmethoden, auch beim Tricktraining, zu erkennen.

Gute Trainer, das habe ich inzwischen gelernt, trainieren auf der Grundlage von natürlichen Verhaltensweisen, wobei eine sinnvolle Anpassung an die Lebensbedingungen in menschlicher Obhut erfolgt. Auch in der Natur kann man oft freilebende Tiere beobachten, die Tricks anwenden, um an einen guten Happen zu kommen. Man denke nur an die Krähen, die Nüsse auf die Fahrbahn werfen, damit Autos drüberfahren und sie so geknackt werden. Oder an die Vögel, die Stöckchen benutzen, um an einen leckeren Wurm zu kommen. Dies sind Verhalten, die auch in freier Natur ausgeführt werden, weil die Vögel sie erlernt haben. Also warum sollte man Vögel, die in unserer Haltung leben, nicht etwas trainieren und sie Neues lernen lassen, um ihnen so das Leben im Alltag etwas abwechslungsreicher zu gestalten?

Ich hätte nie im Traum daran gedacht, dass auch meine vier Grauen mir eines Tages Bällchen oder anderes Spielzeug auf Signal bringen würden. Nein, sie sollen es nicht zu meiner Belustigung tun, sondern, weil ich als Halterin möchte, dass sie geistig gefordert werden und immer wieder Neues lernen können, so wie es in der Natur auch tagtäglich geschieht.

Ich möchte nicht eingebildet wirken, aber ich möchte Ihnen dennoch erzählen, dass ich sehr stolz auf meine Graupapageien bin und auf das, was wir inzwischen erreicht haben. Sie leben bei mir nun schon über zwanzig Jahre, ich habe in dieser Zeit auch sehr viel Geld in Spielzeug investiert. Mich hat nur gewundert, dass sie erst einmal vor allem Neuen, was ich in den Käfig oder ins Zimmer gehängt hatte, Angst zeigten. Viele Graupapageihalter können mir bestimmt bestätigen, dass es sich mit ihren Vögeln ähnlich verhält.

Oft ist es so, dass erst nach Tagen oder Wochen die Neugier siegt und sie sich an das neue Spielzeug heran trauen. Ein weiteres Phänomen: Endlich an das Spielzeug gewöhnt, dauerte es nie lange und sie verloren auch schon wieder das Interesse. Dabei ist ein Teil der Faszination der Papageienhaltung doch das so oft beschriebene Spielverhalten, welches wir gerne beobachten möchten.

Jedenfalls vermisste ich dies bei meinen Vögeln. Von anderen Haltern hörte ich. „Meine spielen so toll!“ Hatte ich das falsche Spielzeug oder woran lag es? Was ich auch unternahm, um meine Graupapageien zu beschäftigen, es lief immer auf das dasselbe heraus. Entweder zeigten sie Angst oder mangelndes oder nur kurzes Interesse und hielten sich doch lieber an meinen Tapeten und Möbeln schadlos.

Graupapageien sind halt sensibel, wenn sie nicht gelernt haben, mit neuen Situationen umzugehen. Einer meiner Vögel war ganz besonders sensibel, rupfte sich bis zur Flugunfähigkeit. Ich versuchte alles. Tierarzt, Homöopathie, Beschäftigung, wenn er sie annahm. Es half nichts. Ich erinnere mich nicht gerne an die Zeit, es tat mir immer sehr weh, meinen Coco so zu sehen. Dann traf ich auf das oben schon erwähnte Forum, in dem es überwiegend um Verhalten ging und wie man mit Verhalten umgeht oder es beeinflussen kann. Ziel war es, einen stressfreien Umgang zwischen Halter und Tier zu ermöglichen, um so die Lebensqualität für beide, Halter und Tier, zu verbessern. Ich überlegte nicht lange und meldete mich dort an.

In dem Forum wurde ich von den Mitgliedern, Moderatoren und Admin Marcus von Kreft aufs Herzlichste begrüßt und bekam auch gleich eine erste Hausaufgabe. Ich sollte mir u.a. die ABCs des Verhaltens durchlesen. Ich erfuhr, dass die Arbeit des Forums auf der Methode der angewandten Verhaltensanalyse (ABA) basiert. Für mich war das erst einmal Neuland. Ich las in dem Forum von Pavlov und Skinner, Namen, von denen ich schon gehört hatte, sie aber nicht mehr einordnen konnte, geschweige denn, wofür sie stehen.

Zunächst fühlte ich mich regelrecht von den vielen neuen und mir fremden Begriffen und Fachwörtern überfordert und wäre fast wieder aus dem Forum ausgetreten. Aber die Freundlichkeit und auch der respektvolle Umgang miteinander überzeugten mich, und ich bin bis heute noch in dem Forum! Kurz darauf fing die eigentliche Arbeit an, ich lernte sehr viel Neues und auch gleich das Trainieren mit meinen Graupapageien.

Als Erstes fragte mich der Moderator, der mich dann als Trainer und auch Berater durch mein Training mit meinen Tieren begleitete, ob meine Grauen ihre Namen kennen. „Na was für eine Frage“, dachte ich. Immerhin habe ich ja einen von meinen Grauen schon über zwanzig Jahre und die anderen drei sind kaum weniger Jahre in meiner Haltung. Also fing ich an, sie alle vier nacheinander zu rufen. Kannten sie ihren Namen wirklich? Ich war plötzlich gar nicht mehr so sicher. Und tatsächlich, ich hatte gleich ein wunderbares Lernerlebnis zu verzeichnen. Ich rief einen Papagei mit Namen und klapperte mit der Dose mit ungesalzenen Erdnüssen, die auch heute noch meine Superverstärker sind, und es kamen alle vier auf einmal!

Meine erste Lektion bestand nun darin, sie einzeln zu rufen und zu trainieren, dass sie auf ihren Namen hörten. Es dauerte seine Zeit, bis sich das Kommen so gefestigt hatte, dass wirklich nur der Vogel kam, den ich mit einem Signal zu mir rief. Also soviel dazu, dass meine Graupapageien ihren Namen kannten und auch darauf reagierten.

Target Stick
Target Stick

Dann war da noch der Target Stick, (ein Zeigegerät). Diesen hatte ich ab sofort zu benutzen. Vor allem sollten die Vögel lernen, den Stick leicht zu berühren. Sinn und Zweck der Übung war es, den Vögeln beizubringen, dass sich freundliches Verhalten lohnt. Drei meiner vier Graupapageien bissen nämlich leider recht häufig, sie waren alles andere als freundlich und mit Vorsicht zu genießen.

Ich benutzte als Target Stick ein Essstäbchen. Die Übung sah in etwa wie folgt aus: Mit dem Namen rufen. Der gerufene Papagei soll kommen, den Target Stick leicht berühren. Berührt der Vogel leicht den Target, wird er verstärkt mit einer Nuss. Wenn ich mich auch verschätzt hatte, was das Hören auf den Namen betraf, so wusste ich doch sehr genau, was meine Graupapageien unheimlich gerne fraßen: Walnuss, Pecannuss, Pinienkerne, Mandeln, Cashewnuss und am guten Schluss, die ungesalzene Erdnuss von Ültje. Dieses Sortiment wurde komplett aus der täglichen Futtermischung herausgenommen und nur noch als Verstärker für das Training verwendet.

Meine Tiere werden sehr abwechslungsreich ernährt. Sie bekommen jeden Tag frisches Obst und Gemüse. Das Sortiment ist riesig und ändert sich täglich, zusätzlich gibt es noch Sämereien, Pellets und Hülsenfrüchte, die ich einmal die Woche für sie koche. Man kann sich bei der Vielfalt denken, dass sie für ihr Training nicht hungern müssen!

Für mich ebenfalls neu, aber enorm hilfreich war auch, dass das Training mit Videoaufnahmen begleitet wird, die im Forum eingestellt werden. Dies dient der Eigenkontrolle und hilft dem Trainingsleiter zu beurteilen, wo man steht und woran genau gearbeitet werden muss. Ich sehe mir mehrmals wöchentlich meine Videos an. Dabei erkenne ich dann oft Fehler, die ich während des Trainings immer noch mache, aber auch meine Erfolge. Beides finde ich sehr unterstützend.

Man ist im Forum mit dem Training nicht alleine auf sich gestellt, es gibt ein Feedback von dem jeweils zugeteilten Moderator bzw. Trainingspartner. Aber auch der Admin, Marcus von Kreft, überwacht sorgsam die Arbeit. Aus heutiger Sicht kann ich nur jedem Halter raten, wenn es Probleme gibt, nicht aufzugeben, sondern sich bei Fachleuten Hilfe zu holen. Ich habe diesen Schritt bis heute nicht bereut. Ich komme heute mit meinen vier Graupapageien sehr gut zurecht. Ich habe gelernt, ihre Körpersprache zu lesen und weiß, wann ich sie anfassen kann und wann sie Ruhe möchten. Dadurch kommt es nicht mehr zu Bissen. Auch spielen sie intensiver miteinander, haben gelernt, dass es auch miteinander geht und nicht gegeneinander. Wir haben einfach viel mehr Freude miteinander!

Auch gesundheitlich hat sich etwas getan. Mein Rupfer, der in den schlimmsten Phasen nicht einmal mehr fliegen konnte, ist heute ein ganz anderer Vogel. Dass er sein Verhalten einmal so positiv verändern könnte, daran hatte ich nicht mehr geglaubt. Nun geht es ihm gut und darüber bin ich sehr glücklich. Coco, von dem ich sehr oft gebissen wurde, weil ich die Körpersprache nicht beachtete, hat das Beißen mir gegenüber total abgelegt. Er ist auch Fremden gegenüber nicht mehr ängstlich. Habe ich Besuch, kommt er sogar ins Wohnzimmer und sucht Kontakt zu den Menschen, die bei mir zu Gast sind. Früher wäre es undenkbar gewesen, dass er aus dem Wintergarten in das Wohnzimmer gekommen wäre, wenn Fremde anwesend sind. Heute zeigt er dem Besuch sein ganzes Repertoire. Auch folgt er nicht nur mir, wenn der Target Stick eingesetzt wird, sondern wirklich jedem! Bei dem letzten Tierarztbesuch ließ er sich ohne großen Stress aus dem Transportkäfig nehmen. Das ging vorher ohne Schreierei überhaupt nicht. Er ist heute ruhiger und viel ausgeglichener als vor unserem gemeinsamen Training.

Frische Zweige
Frische Zweige sind immer toll

Ringtraining
Coco beim Ringtraining

Puzzletraining
Bibo beim Puzzletraining

Aber es war bis hierher auch ein Stück Arbeit. Manches Mal rauchte mir der Kopf und die regelmäßigen Berichte, Hausaufgaben und das Training kosteten Zeit und Geduld. Verhalten ist so vielseitig und so komplex und Papageien können so viel lernen, Positives, wie Negatives. Ich höre sehr oft von Problemen, die andere Papageienhalter mit ihren Tieren haben, ich rate immer, nicht aufzugeben. Denn viele Papageien müssten nicht in Auffangstationen leben, wenn der Halter selbst auch einmal an sich arbeiten würde. Jeder Vogel hat seine eigene Lerngeschichte, somit auch Erfahrungen, die nicht nur positiv waren, aber mit viel Liebe und Geduld ist alles zu schaffen.

Meine vier Grauen leben heute alle vier zusammen im Wintergarten, eine neue Außenvoliere ist bestellt. Ich warte schon voller Spannung darauf. Dann heißt es, Tür aufschieben und alle vier können nach draußen. Sie haben alle vier gelernt, auf Signal in den Käfig zu gehen.

Wenn ich zur Arbeit gehe, lasse ich sie nicht ohne Aufsicht alleine und außerhalb der Voliere im Wintergarten. So bin ich immer auf der sicheren Seite und habe auch Ruhe, da ich weiß, es kann nichts passieren. Wenn meine Vier auf Entdeckungstour in der Wohnung unterwegs sind, sieht es halt auch immer danach aus. Aber mir persönlich ist eine gemeinsame Harmonie zwischen ihnen wichtiger als das Aufräumen und putzen danach.

Auch diesen Rat gab mir Marcus von Kreft, ihnen für den Aufenthalt außerhalb der Voliere viel Beschäftigungsmaterial anzubieten. Sie bekommen dann frische Äste aus dem Garten und gemeinsames Schreddern und Schweinerei machen ist ein Riesenspaß für sie.

Mit drei von meinen Grauen trainiere ich fast täglich mit Intelligenzspielzeug, dabei werden sie sehr gefordert. Coco ist der Vogel, der mich durch die ganze Wohnung verfolgt, wenn er trainieren möchte. Er hat ganz schnell gelernt, dass touch heißt: Target berühren und dafür ein Stück Nuss bekommen. Dieses erlernte Verhalten hatte er ganz schnell drauf. Manchmal fehlt mir auch die Zeit für ein Training, doch der kleine Kerl gibt nicht auf, bis ich mich geschlagen gebe und das Spielzeug hervor hole. So manches Mal frage ich mich, wer hier wen trainiert.

Coco fädelt Ringe nach Farben auf einen Ständer. Fädelt er die Farben falsch auf, gebe ich das Signal „falsch“ und er nimmt den Ring runter und fädelt ihn auf die richtige Farbe. Oft nimmt er den falsch gelegten Ring selbst wieder herunter und ordnet ihn der richtigen Farbe zu, bevor ich falsch sagen kann. Und schon frage ich mich wieder, wer hier wen trainiert?

Bibo ist der cleverste von allen. Er kann Puzzle nach verschiedenen Farben und Formen einsetzen. Oder ich stelle ein kleines Gefäß hin, lege Flaschendeckel davor und gebe das Signal "alles einräumen". Das macht er ganz toll, er sammelt alle Deckel ein und legt sie in das Gefäß. Hat er das geschafft, kommt er zu mir und möchte seine Nuss, die er auch erhält.

Graupapagei räumt Deckel ein

Bibo räumt Flaschendeckel ein

Graupapagei räumt Deckel ein

Graupapagei räumt Deckel ein

Nun bin ich seit 2011 im Forum und habe so viel über ABA und die ABCs des Verhaltens gelernt, dieses Jahr jedoch hatte ich mein Highlight. Marcus von Kreft bot im Forum einen praktischen Workshop in England (Cornwall) an. Ich habe mich dafür angemeldet und durfte ihn auch im Mai einlösen. Es war nun das, was mir gefehlt hat zu meinem Internet-Workshop und zu dem Workshop, den er in Stuttgart abgehalten hat. Alle drei waren sehr gut und ich konnte sehr viel Wissen mitnehmen.

Zwanzig Jahre Papageienhaltung, in der Zeit habe ich sehr viel Erfahrungen sammeln können, ob positiv, oder negativ. Was ich aber in diesen zwei Jahren in dem Forum lernen konnte, kann ich mit Worten nicht beschreiben. Sei es über Futter, Verhalten, oder Haltung. Marcus und alle anderen Moderatoren oder auch Mitglieder in dem Forum haben dazu beigetragen, dass ich heute so wunderbar und harmonisch mit meinen Tieren leben kann. Jeder Einzelne, der aktiv im Forum mitmacht, hat dazu beigetragen. So sage ich heute auch im Namen meiner Tiere Dankeschön!

Das Lernen und auch das Training gehen weiter, für Coco, Nicki, Pauli und Bibo, natürlich auch für mich.